Interview de Romain Schneider avec le Luxemburger Wort

"Die Finanzsituation der Sozialversicherung ist kerngesund"

Interview: Luxemburger Wort (Bérengère Beffort)

Luxemburger Wort: Für dieses Jahr rechnet die CNS mit einer äußerst positiven Finanzsituation in der "Assurance maladiematernitd". Die Reserven könnten auf mehr als 20 Prozent der laufenden Ausgaben ansteigen. Was geschieht mit diesem Geld?

Romain Schneider: Die Finanzsituation der Sozialversicherung ist kerngesund. Die positiven Prognosen bestätigen sich. Das ist zum einen auf einen Zuwachs von 2,8 Prozent auf dem Arbeitsmarkt zurückzuführen. Eine robuste Konjunktur mit mehr Arbeitsplätzen bedeutet auch mehr Sozialbeiträge. Zum anderen tragen Maßnahmen der Gesundheitsreform aus dem Jahr 2010 und des Zukunftspakets der Regierung ihre Früchte. Sie ermöglichen eine effizientere Nutzung der Mittel. Wenn wir also in der Quadripartite-Runde am Mittwoch zusammenkommen, geht es nicht nur darum, die jüngsten Entwicklungen zu besprechen, sondern vor allem vorauszuschauen. Budgetare Entscheidungen fürs Jahr 2017 werden wir erst im Herbst festhalten. Jetzt deutet sich aber schon an, dass die Reserven weiter ansteigen könnten. Wird die gesetzlich vorgesehene Obergrenze von 20 Prozent übertroffen, muss über die Beitragssätze geredet werden. 

Luxemburger Wort: Die Beiträge der Versicherten und Arbeitgeber zur "Assurance maladie-maternité" könnten also nächstes Jahr herabgesetzt werden?

Romain Schneider: Es gibt ein paar Möglichkeiten, die wir mit den Sozialpartnern in der Quadripartite besprechen wollen. Eine erste Frage ist, wie groß das Finanzpolster angesichts der laufenden Ausgaben bleiben sollte. Sollen die Reserven bei steigenden Einnahmen mindestens zehn Prozent ausmachen, soll es ein Mittelwert von 15 Prozent sein, oder lassen wir viel Vorsicht walten und bleiben nahe an der Obergrenze von 20 Prozent dran? Ich würde persönlich bevorzugen, dass wir einen Prozentsatz im oberen Drittel ansiedeln. Eine Umverteilung und Beitragssenkungen hängen also davon ab, wie viel in den Reserven übrig bleiben soll ...

Luxemburger Wort: Was ziehen Sie fürs überschüssige Geld in Betracht?

Romain Schneider: Das' wäre mein nächster Punkt. Wir könnten die Leistungen verbessern, wobei ich zwei Bereiche in Betracht ziehe. Das wäre zum einen die Rückerstattung bei den Zahnbehandlungen und zum anderen die staatliche Unterstützung bei den Brillen. Viele junge und ältere Menschen sind auf eine Brille angewiesen, und gute Gläser haben einen Kostenpunkt. Hier könnten wir besonders wenig bemittelten Personen entgegenkommen. Darüber hinaus wollen wir untersuchen, inwiefern die Beiträge gesenkt werden könnten. Um wie viele Prozentpunkte die von den Arbeitnehmern und Arbeitgebern entrichteten 5,6 Prozent herabgesetzt werden könnten, steht zur Debatte.

Luxemburger Wort: Geringere Beiträge würden also bei den Partnern, den Arbeitnehmern und Arbeitgebern, gleichermaßen zugutekommen?

Romain Schneider: Die Sozialversicherung beruht auf dem Solidaritätsprinzip. Für mich ist es evident, dass beide Partner gleichermaßen beitragen und ebenso von Beitragssenkungen oder Erhöhungen betroffen sind.

Luxemburger Wort: Ist es nicht überstürzt, die Zügel zu lockern, sollte die günstige Wirtschaftssituation durch internationale Begebenheiten einbrechen?

Romain Schneider: In den letzten Jahren wurden viele Maßnahmen ergriffen, um die Sozialversicherung auf gesunde Füße zu stellen. Wir haben einen guten Fortbestand gesichert. Die Anpassungen und Neugliederung sorgen für Stabilität. Nun wollen wir das Erwirtschaftete nicht einfach so zum Fenster hinauswerfen. Wichtig ist und bleibt, dass wir das System gut steuern. Sollten wir nichts tun, wird dennoch laut Gesetz die Obergrenze von 20 Prozent gelten. Dabei müssen die Beiträge abgeändert werden, wenn diese Grenze übertroffen wird. Ich bin der Auffassung, dass wir die jetzige Situation nutzen sollten, um ein gutes Gleichgewicht herzustellen zwischen neuen Leistungen, weiterhin ausreichenden Reserven und womöglich leichten Beitragsänderungen. Persönlich würde ich einen ausgewogenen Mix bevorzugen. Das Thema steht jedenfalls mit allen Partnern zur Diskussion.

Luxemburger Wort: Noch sitzen die Patronatsvertreter am gemeinsamen Tisch der CNS. Vor zwei Monaten hatten sie allerdings Austrittsgedanken bekannt gegeben und vorgeschlagen, künftig nur die Kosten im Krankheitsfall zu übernehmen. Wie wollen Sie als Sozialminister mit diesem Vorhaben umgehen?

Romain Schneider: Der Unternehmerverband UEL wird in der Quadripartite Stellung zu seinem Vorhaben nehmen. Die Patronatsvertreter werden erklären müssen, inwiefern ein Austritt aus dem solidarischen Modell der CNS dem gesamten System zugutekommen kann. Ich erkenne darin jedenfalls keinen Mehrwert. Im jetzigen System tragen der Staat, die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer zur Sozialversicherung bei. Alle kommen für die Geld- und Sachleistungen auf und sind an den Entscheidungen im CNS-Direktionskomitee beteiligt. Sollte nun ein Partner austreten und nur noch für die Geldleistungen im Krankheitsfall aufkommen, würde das mit dem Solidaritätsprinzip brechen. Das wäre schade. Ich will den Patronatsvertretern zunächst aber zuhören. Sie sollen ihr Konzept vortragen können. Auf Anhieb kann ich allerdings nicht erkennen, wie ihr Vorhaben im Sinn des Systems und besonders der Versicherten funktionieren könnte.

Luxemburger Wort: Ein grundlegender Wandel ist im Koalitionsabkommen nicht angedacht. Kommen die Änderungen, die der UEL vorschweben, in dieser Legislaturperiode gar nicht in Frage?

Romain Schneider: Solche Änderungen im solidarischen System waren weder vorgesehen, noch lassen sie sich einfach so umsetzen. Man müsste den Code de la s6curit6 sociale revidieren, das Arbeitgesetzbuch abändern, und, und, und. In der Praxis wäre das bisherige System ganz anders gelagert. Die Arbeitgeber würden alleine ab dem ersten Krankheitstag und für die ganze Krankheitsdauer für den Arbeitsausfall aufkommen. So stellen sich Fragen über die Kontrollen von Fehlzeiten: Wer wäre dafür zuständig, was macht in dem Fall der staatliche Contröle mHical? Darüber hinaus müsste es eine politische Mehrheit im Parlament für diese Änderungen geben. Diese kann ich bislang nicht erkennen. Weder im Prinzip noch in den praktischen Aspekten sind die Reformvorschläge des Patronats umgehend umsetzbar.

Luxemburger Wort: Ganz generell, was würden Sie als Minister in der Sozialversicherung ändern wollen?

Romain Schneider: Die Gesundheitskasse sollte personell und materiell besser ausgestattet werden. Investitionen in die Mitarbeiter und die Informatik könnten dazu beitragen, den Dienst am Bürger zu verbessern, und der Nachfrage an Informationen besser nachzukommen. Mehr Mittel könnten auch die Kontrollen gegen Missstände bestärken. Wir sollten die CNS besser aufstellen, statt am solidarischen Modell zu rütteln.

Luxemburger Wort: Die Quadripartite dürfte sich auch mit einem neuen Finanzierungsmodell für die Krankenhäuser befassen. Wie kommt das Projekt, hinsichtlich der kritischen Einstellung von Sozialpartnern voran?

Romain Schneider: In dieser Legislaturperiode lässt sich eine Finanzierung der Spitäler auf Basis der Leistungen mit diagnosebezogenen Fallgruppen (DRG) nicht umsetzen. Tiefgreifende Änderungen benötigen Zeit und müssen Hand in Hand mit allen Akteuren erfolgen. Dennoch ist es wichtig, Daten und Referenzwerte über die Aktivitäten der Spitäler zu erhalten, damit man das Gesundheitssystem besser steuern kann. Mehr Transparenz unterstützt einen guten Umgang der öffentlichen Mittel und ermöglicht, das Behandlungsangebot effizienter für die Patienten auszurichten.

Luxemburger Wort: Mehr Effizienz verspricht die Regierung auch durch die Schaffung von Kompetenzzentren im Rahmen des neuen Spitalplans. Doch auch hier rumort es im Spitalsektor ...

Romain Schneider: Der neue Spitalplan wird von Gesundheitsministerin Lydia Mutsch ausgearbeitet, wobei die Sozialversicherung im Prozess mit eingebunden ist. Persönlich bin ich der Auffassung, dass wir Synergien brauchen, um die bestmögliche Versorgung für die Patienten sicherzustellen. Dafür brauchen wir auch gut nachvollziehbare Kriterien. Ich stelle fest, und das gilt für viele Dossiers im Bereich des Gesundheitswesens, dass die Sozialpartner verschiedene Standpunkte vertreten. Wichtig ist deshalb, in der Quadripartite und darüber hinaus gemeinsame Lösungen auszuarbeiten, und gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Das Budget der Sozialversicherung macht ein Viertel der Staatshaushalts aus. Das ist viel Geld, das es gut einzusetzen gilt, um die Qualität der Leistungen auf hohem Niveau zu behalten.

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