"Nicht Ausverkauf, sondern Festigung". Le ministre de la Sécurité sociale au sujet du système de pension

Télécran: Die Renten sind sicher, aber zugleich auch nicht sicher, sagten Sie bei der Vorstellung des Jahresberichts der Sozialversicherung vor zwei Wochen. Müssen wir uns denn nun Sorgen machen oder nicht?

Mars Di Bartolomeo: Uns droht, anders als in einigen unserer Nachbarländern, keine unmittelbare Rentenkatastrophe, da kann ich die Luxemburger beruhigen. Unser Pensionssystem ist heute bei guter Gesundheit. Wenn wir aber wollen, dass es auch in den nächsten Jahrzehnten gesund bleibt, müssen wir uns jetzt darum kümmern. Beide Aussagen sind also wahr, und beide kann man nicht voneinander trennen.

Télécran: Immerhin betragen die Reserven der Rentenversicherung zurzeit das Dreieinhalbfache der jährlichen Ausgaben, in Zahlen etwa zehn Milliarden Euro. Wie konnten die denn angehäuft werden?

Mars Di Bartolomeo: Die Erklärung liegt im Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre. Die Zahl der Arbeitskräfte, also auch der Beitragszahler, ist seit den 80er-Jahren enorm angestiegen. Auch das Verhältnis zwischen aktiver Bevölkerung und Rentenempfängern hat sich verbessert und liegt heute bei 2,5 zu 1. So konnten beträchtliche Reserven angelegt werden, dies obwohl der Beitragssatz seit 30 Jahren unverändert geblieben ist und die Leistungen, vor allem durch die Entscheidungen des "Rentendësch" 2001, weiter verbessert wurden.

Télécran: Das klingt doch eher optimistisch. Warum sollte sich an dieser Situation etwas ändern?

Mars Di Bartolomeo: Die Rechnung ist schnell gemacht. Die vielen Beschäftigten von heute sind die vielen Rentner von morgen. Laut einer Berechnung der "Inspection Générale de la Sécurite sociale" müsste die Zahl der Beschäftigten bis 2050 auf bis zu 1,3 Millionen ansteigen, um dann noch die Rentenbezüge in ihrer jetzigen Form aufrechtzuerhalten. Dass diese Zahl erreicht wird, ist einfach unvorstellbar, sogar dann, wenn der Aufschwung wieder einsetzt. Also müssten die Beitragssätze bis zu doppelt so hoch werden, was sowohl für die Arbeitnehmer als auch für die Arbeitgeber, die zusammen mit dem Staat jeweils ein Drittel dieser Beiträge zahlen, kaum akzeptabel ist. Wir kommen also nicht daran vorbei, uns Gedanken darüber zu machen, wie es weitergehen soll. Es geht ja nicht nur darum, das Einkommen der Rentner von morgen zu sichern, sondern auch die Last für zukünftige Generationen von Beschäftigten in einem erträglichen Maß zu halten.

Télécran: Lässt sich die Notwendigkeit einer Rentenreform denn vermitteln, wenn das System derzeit einwandfrei funktioniert?

Mars Di Bartolomeo: Gerade jetzt, wo die Situation unserer Rentenversicherung eigentlich noch sehr gut ist, halte ich den Augenblick für eine Rentenreform gekommen. Es ermöglicht uns, in aller Ruhe über diese komplexe Problematik nachzudenken und gemeinsam nachhaltige Lösungen zu suchen, die das System auf sichere Füße stellen. Andere Länder sind nicht in dieser beneidenswerten Lage und dort stehen die Politiker in der Rentenfrage mit dem Rücken zur Wand.

Télécran: Müssen wir uns in den nächsten Jahren von unserem - im Vergleich zum Ausland - doch recht vorteilhaften Rentensystem verabschieden?

Mars Di Bartolomeo: Es geht nicht um einen Ausverkauf, sondern um eine Festigung des Systems. Dazu gehört das Umlageverfahren mit der Bildung einer angemessenen Reserve. Auch am Prinzip der Dreierfinanzierung durch Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Staat soll nicht gerüttelt werden. Darüber hinaus werden die erworbenen Rechte natürlich gewahrt bleiben. Heutige Rentner brauchen sich keine Sorgen zu machen und die aktuelle Generation der Beschäftigten ist nur für den Teil des Berufslebens, der noch vor ihnen liegt, betroffen. Vor allem werden Niedrigrenten auf keinen Fall in Frage gestellt. Eine Reform wird aber für den Privatsektor und den öffentlichen Dienst gleichermaßen gelten.

Télécran: Welche Möglichkeiten gibt es denn für eine wirksame Reform, die niemanden überfordert?

Mars Di Bartolomeo: Unter anderem werden wir uns überlegen müssen, wie wir die Lebensarbeitszeit mit der längeren Lebenserwartung in Einklang bringen. Wegen der gestiegenen Lebenserwartung werden schon jetzt die Renten im Durchschnitt zehn, fünfzehn Jahre länger ausbezahlt als zu der Zeit, in der die heute gültigen Bedingungen für den Renteneintritt festgelegt wurden. Man muss davon ausgehen, dass die durchschnittliche Lebenserwartung weiter ansteigen wird. Hundertjährige werden Mitte dieses Jahrhunderts keine Ausnahme mehr sein. Die Altersgrenze pauschal von 65 auf 67 heraufzusetzen, würde allerdings nichts bringen. Tatsächlich liegt das Durchschnittsalter beim Renteneintritt in Luxemburg heute bei 58-59 Jahren. In Zukunft werden wir dafür sorgen müssen, dass jeder Arbeitnehmer die gesetzlich vorgeschriebenen Beitragsjahre tatsächlich ableistet. In anderen Worten: Wir werden die Liste der anrechenbaren Zeiten einer Revision unterziehen müssen - was allerdings nicht bedeutet, dass sie ganz abgeschafft werden sollen. Es soll nur nicht übers Ziel geschossen werden.

Télécran: Wenn der ältere Arbeitnehmer länger im Betrieb bleibt, muss aber auch der Arbeitgeber diese Entscheidung respektieren...

Mars Di Bartolomeo: Auch auf Arbeitgeberseite muss es in dieser Hinsicht zu einem Mentalitätswandel kommen. Man kann nicht ältere Arbeitnehmer aus dem Betrieb drängen, um sie durch weniger gut bezahlte jüngere Arbeitskollegen zu ersetzen. Sie können weiter ihre Erfahrung und ihr Knowhow einbringen. Eine Möglichkeit besteht zum Beispiel darin, den Übergang von der Arbeits- in die Rentenphase gleitend zu gestalten. Auch dies zeigt, wie wichtig es ist, alle Partner in die Diskussion über die Rentenreform einzubeziehen.

Télécran: Sie denken also nicht an unmittelbare Beitragserhöhungen?

Mars Di Bartolomeo: In einem Zeitraum von zehn, zwanzig oder gar vierzig Jahren muss es natürlich erlaubt sein, über die Höhe der Beiträge nachzudenken. Wie ich bereits erwähnte, hat der Beitragssatz sich seit drei Jahrzehnten nicht geändert. Außerdem sind die Lohnnebenkosten in Luxemburg im Vergleich zu unseren Nachbarländern niedrig, was einen gewissen Spielraum lässt.

Télécran: Werden auch die gezahlten Renten in Zukunft niedriger ausfallen?

Mars Di Bartolomeo: Unser Rentensystem sieht schon jetzt Parameter vor, die eine Anpassung der Pension nach oben oder nach unten ermöglichen. Diese Instrumente werden wir nur verfeinern müssen. Die Höhe der ausgezahlten Renten hängt aber vor allem von den anderen erwähnten Faktoren ab.

Télécran: Glauben Sie, dass die Sozialpartner mit diesen Vorschlägen einverstanden sein werden?

Mars Di Bartolomeo: Eine Arbeitsgruppe der Tripartite befasst sich bereits seit längerem mit dem Thema Rentenreform. Wenn man sich zum Ziel setzt, den gesellschaftlichen Realitäten Rechnung zu tragen und unvoreingenommen an die Sache herangeht, so meine ich, findet man auch einen Konsens. Wichtig scheint mir, eine ausgewogene Lösung zu finden, die der Entwicklung der unterschiedlichen Parameter Rechnung trägt. Das heißt, die Reform muss sich auf einer Zeitschiene bewegen.

Télécran: Gibt es bereits einen Zeitplan für die politische Umsetzung?

Mars Di Bartolomeo: Ja. Bis Ende dieses Jahres will ich ein Reformprojekt vorstellen.

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