"Regierungsarbeit aus einem Guss"

Interview von Romain Schneider im Luxemburger Wort

Interview: Marc Hoscheid (Wort)

Wort: Romain Schneider, als Landwirtschaftsminister kehren Sie in gewisser Weise zu Ihren Wurzeln zurück. Hat Sie das Amt des Sportministers nach zehn Jahren gelangweilt, oder war die Sehnsucht nach dem Landwirtschaftsministerium schlicht so groß? 

Romain Schneider: Ich bin ja bereits in meiner dritten Legislaturperiode als Minister, da tut ein Wechsel manchmal ganz gut. Ich habe das Landwirtschaftsministerium 2013 nicht auf eigenen Wunsch hin verlassen, sondern weil die Konstellation zwischen den Koalitionsparteien es damals so ergeben hat. Ich war sehr gerne Sportminister, da ich ja auch aus diesem Bereich komme. Nach zehn Jahren habe ich alles umgesetzt, was ich mir bei Amtsantritt vorgenommen hatte. Mit Dan Kersch (LSAP) hat jemand den Posten übernommen, der einerseits neue Ideen einbringt, aber andererseits auch die bisher geleistete Arbeit kontinuierlich weiterführt. Meiner Partei war es wichtig, das Sportministerium zu behalten, da hier große Projekte anstehen. 

Wort: Was das Landwirtschaftsministerium betrifft, so befürchteten einige Verantwortliche aus der Branche, dass dieses nicht als eigenständiges Ministerium erhalten bleiben könnte. Stand dies in den Koalitionsverhandlungen jemals zur Debatte? 

Romain Schneider: Also ich war in den Arbeitsgruppen rund um die Landwirtschaft dabei und dort war das überhaupt kein Thema. Später dann, nachdem wir das Programm ausgearbeitet hatten, ging es darum, welche Partei das Ministerium übernimmt. 

Wort: Es gibt viele Überschneidungen zwischen der Landwirtschaft und dem Umweltschutz. Wäre es vor diesem Hintergrund nicht sinnvoll beide Bereiche in einem Ministerium zu vereinen oder sie zumindest an dieselbe Partei zu vergeben? Oder finden Sie die jetzige Situation eigentlich ganz angenehm, weil Sie so Umweltministerin Carole Dieschbourg (Déi gréng) im Zweifelsfall den schwarzen Peter zuspielen können? 

Romain Schneider: Bei uns wird kein schwarzer Peter zugespielt. Die Regierung macht eine gemeinsame Politik, die sich am Koalitionsabkommen orientiert. Die Zusammenarbeit hat in den vergangenen sechs Jahren gut funktioniert und ich hoffe, dass dies auch in den nächsten vier der Fall sein wird. Das ist in meinen Augen wichtiger als die Zusammensetzung der einzelnen Ministerien. Wenn man die Sache unter dem Gesichtspunkt der thematischen Überschneidungen betrachtet, könnte man rein theoretisch auch nur ein riesiges Ministerium schaffen, denn letztlich hängt alles mit allem zusammen. 

Wort: Wie will das Ministerium dabei helfen, das Bild der Bauern in der Gesellschaft zu verbessern? Solche Forderung (sic!) hört man aus der Branche immer wieder. 

Romain Schneider: In der Vergangenheit ist der Fehler begangen worden, dass man zu bescheiden aufgetreten ist. Die Menschen wissen heutzutage oftmals nicht mehr, wie es in den Betrieben zugeht. Hier muss in erster Linie Aufklärungsarbeit geleistet werden. Deswegen haben wir in der jüngeren Vergangenheit auch immer wieder große Veranstaltungen wie beispielsweise die Foire agricole genutzt, um uns in deren Vorfeld an die Öffentlichkeit zu wenden und die Bürger darauf hinzuweisen, dass sie dort etwas über den Beruf des Bauern erfahren können. Man darf nicht vergessen, dass die Bauern lange Zeit die einzigen Naturschützer waren, beispielsweise in Sachen Waldschutz. Heute gibt es noch andere Akteure, die versuchen in diesem Bereich zu helfen. Trotzdem müssen die Bauern auch zukünftig mit eingebunden werden. Immerhin werden heute noch immer 132.000 Hektar landwirtschaftlich genutzt, der größte Teil unseres Landes. 

Wort: Wenn von Naturschutz die Rede ist, fällt oft ganz schnell das Wort "Bio". Über alle Parteigrenzen hinaus scheint man sich einig zu sein, dass Biolandwirtschaft gefördert werden muss. Bei den Fragen nach der Geschwindigkeit dieser Umwandlung und dem Potenzial der Biolandwirtschaft gehen die Meinungen allerdings auseinander. Sogar die DP ließ bei der jüngsten Orientierungsdebatte im Parlament verlauten, dass man die Ziele von 20 Prozent bis 2025 und 100 Prozent bis 2050 ziemlich ambitioniert finde. Sind sie nicht sogar utopisch? 

Romain Schneider: Erst einmal will ich festhalten, dass die Menschen, wenn sie von Bio reden, oft unterschiedliche Dinge meinen. Die,20 Prozent von denen Sie reden, beziehen sich auf die landwirtschaftlich genutzte Fläche. In der Debatte im Parlament ging es aber auch um den Stellenwert von Bio in unserer Gesellschaft. Ich glaube, dass neben der Herausforderung der 20 Prozent, und es ist eine Herausforderung, noch andere Indikatoren für die Akzeptanz des Bio in der Bevölkerung herangezogen werden müssen. Beispielsweise die Zahl der hiesigen Bioproduzenten, oder die Anzahl der luxemburgischen Bioprodukte in den Regalen. Heute kommen viele der Bioprodukte noch nicht aus Luxemburg, diese Lücken müssen wir füllen. In den Bereichen Fleisch, Obst und Gemüse steckt noch viel Potenzial. Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass es schwer wird die Zahl der biologisch bewirtschafteten Flächen deutlich zu erhöhen, denn Obst und vor allem Gemüse können auf vergleichsweise kleinem Raum angepflanzt werden. Für mich geht es bei den 20 Prozent nicht allein um die Zahl an sich, sondern vor allem um die Aussage, die dahintersteckt. Diese soll als eine Art Motor dienen und dazu führen, dass wir uns im Jahr 2025 auf einem guten Weg hin zu 100 Prozent nachhaltiger Landwirtschaft befinden. Dies sowohl in ökologischer, ökonomischer als auch sozialer Hinsicht. 

Wort: Die Zahl der Bioprodukte in den Regalen ist die eine Sache, jene der tatsächlich verkauften eine andere. Die Bauern verweisen gerne darauf, dass nur ein Prozent der Milch biologisch ist und selbst dieses eine Prozent kann nicht vollständig auf dem luxemburgischen Markt abgesetzt werden. Dann stellt sich natürlich die Frage, ob die Menschen tatsächlich bereit sind, so viel mehr für Bioprodukte zu bezahlen, wie dies manchmal suggeriert wird? 

Romain Schneider: Ich glaube ein Teil der Menschen ist bereit, mehr zu bezahlen. Am wichtigsten ist den Menschen aber in erster Linie, dass sie nachvollziehen können, welchen Weg die Produkte während des Herstellungsprozesses genommen haben. Im Rahmen des neuen Bioaktionsplans werden wir die Menschen ganz konkret danach befragen, für welche Produkte sie mehr zu zahlen bereit sind und auch wie viel. Dann können wir unser Angebot spezifisch an die Bedürfnisse der Konsumenten anpassen. 

Wort: Zu einer nachhaltigen Ernährung gehören auch regionale und saisonale Produkte. 

Romain Schneider: Ja, das ist richtig. Wir müssen den Menschen einerseits wieder beibringen, dass Lebensmittel einen gewissen Wert haben und auch, dass nicht jede Obst- oder Gemüsesorte in unseren Breitengraden das komplette Jahr hindurch angebaut werden kann. An Weihnachten muss man nicht unbedingt Erdbeeren essen. Wir sollten versuchen, erst einmal die Dinge zu essen, die wir in unseren eigenen Gärten anbauen. 

Wort: Auf EU-Ebene laufen die Verhandlungen über die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) nach 2020. Beim Thema administrative Vereinfachung wirken viele Bauern konsterniert. Anstatt auf deren Umsetzung zu pochen, fordern sie nur noch, dass die Politik diesbezüglich keine Versprechen mehr geben soll, da diese eh nicht erfüllt würden. 

Romain Schneider: Ich denke, dass wir dieses Mal tatsächlich einen Fortschritt in diesem Bereich erzielen werden. Auf nationalem Niveau haben wir bereits Maßnahmen umgesetzt. Beispielsweise den elektronischen Flächenantrag, der eine große Vereinfachung für viele Bauern darstellt. Auch wenn er zugegebenermaßen im ersten Jahr mit einem Mehraufwand verbunden ist, aber deswegen haben wir auch eine Reihe von Vortragsabenden organisiert und die Leute geschult. Wenn es dann erst einmal läuft, reicht ein Antrag pro Parzelle. 

Wort: Vor Kurzem hat die Europäische Union ein Freihandelabkommen mit dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur, dem Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay angehören, abgeschlossen. Die hiesigen Bauern beschweren sich darüber, dass durch dieses Abkommen künftig Lebensmittel nach Europa exportiert werden, die unter weit weniger strengen Qualitätsstandards hergestellt wurden, als sie hier gelten. Ist es nicht inkohärent einerseits die Auflagen für Bauern in Europa ständig zu verschärfen, andererseits aber ein solches Abkommen zu schließen? 

Romain Schneider: Ich gebe allen Recht, die dies bemängeln. Wenn wir Waren importieren, müssen wir Kontrollen einführen, um sicherzustellen, dass diese gewissen Standards entsprechen. Der zuständige EU-Kommissar wurde von fast allen Landwirtschaftsministern kritisiert, denn quasi niemand ist mit dem Resultat zufrieden. Mich persönlich beruhigt auch nicht, dass er erklärt hat, dass eine Milliarde Euro bereitliegen, um notfalls einzugreifen. Denn wenn dieser Fall eintritt, ist vorher etwas schiefgelaufen. Unsere Experten im Ministerium sind dabei, den Text zu analysieren. Auf europäischer Ebene soll darüber hinaus eine Impaktstudie durchgeführt werden. Es herrscht aktuell auch kein Zeitdruck, denn der Vertrag soll erst in fünf Jahren in Kraft treten und muss vorher vom Europarlament und den nationalen Parlamenten ratifiziert werden. 

Wort: Es wird auch viel über Innovation im Bereich der Landwirtschaft gesprochen. Neue, resistentere Pflanzenarten sollen als Antwort auf den Klimawandel dienen. Vor diesem Hintergrund, wie stehen Sie zu genetisch modifizierten Lebensmitteln? Sind diese ethisch vertretbar? 

Romain Schneider: Nein! Deswegen stellen wir in Luxemburg solche Produkte auch nicht her. Wir achten im Gegenteil darauf, dass auch keine tierischen Produkte, bei deren Herstellung genmodifiziertes Futter eingesetzt wurde, auf den luxemburgischen Markt gelangen. Innovationen sollen sich nicht nur auf Pflanzenarten beschränken. So kann der Einsatz moderner Maschinen dafür sorgen, dass künftig weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden müssen. 

Wort: Sie sind nicht nur Landwirtschafts-, sondern zudem noch Sozialminister. Vor einigen Wochen hat die Ärztevereinigung AMMD beschlossen, wieder in die Nomenklaturkommission zurückzukehren, welche sie zuvor aus Protest boykottiert hatte. Wie bewerten Sie diese Entwicklung? 

Romain Schneider: Ich bin froh über diese Entscheidung, denn schließlich verfolgen wir alle dasselbe Ziel: eine neue Nomenklatur. Ich habe mich zweimal mit allen Akteuren aus dem Bereich getroffen. Es gab eine Reihe von Hürden, die wir aber durch eine Veränderung der Funktionsweise und Zusammensetzung der Nomenklaturkommission überwinden konnten. Die dafür notwendigen Gesetzesänderungen werden gerade durchgeführt. Ab September wird diese wieder regelmäßig tagen. Dies ist deswegen von großer Bedeutung, weil die Nomenklatur der Schlüssel für viele andere Dinge ist. 

Wort: Die AMMD hat Sie schon ziemlich unter Druck gesetzt. Wie bewerten Sie dieses Verhalten im Rückblick, war es in Ihren Augen normal? 

Romain Schneider: Nein, das Verhalten der Ärzte war nicht normal! Das hatte auch mit den anstehenden Wahlen zu tun. In solchen Zeiten versuchen alle möglichen Organisationen und Interessensgruppen ihre Forderungen in den Mittelpunkt zu setzen. jetzt haben wir die Wahlen hinter uns und können die politischen Machtkämpfe hoffentlich beiseitelassen, denn diese helfen niemandem. Im Gegenteil, bei den Wahlen haben sie mir sicherlich geschadet, auch wenn es sich beim Resultat nicht massiv niedergeschlagen hat. Dies gilt auch für die damalige Gesundheitsministerin (Lydia Mutsch, Anmerkung der Redaktion). Solche Aktionen führen schlussendlich nur zu Misstrauen und Verbitterung. Ich für meinen Teil habe mich dazu entschieden, diese negativen Gefühle hinter mir zu lassen und denke, die anderen Akteure tun dies ebenfalls. Denn nur zusammen können wir zu einer modernen medizinischen Versorgung gelangen. 

Wort: Dann noch die für ein Sommerinterview obligatorische Frage: Was unternehmen Sie in Ihrem Urlaub? 

Romain Schneider: Ich werde mit meiner Frau eine Woche lang in den Süden in Urlaub fahren. Dort werde ich am Wasser etwas Sonne tanken und mir das ein oder andere gute Essen genehmigen. Zuhause werde ich vor allem mit dem Hund in der Natur spazieren gehen und mich auch anderweitig sportlich betätigen, um die Arbeit im September mit neuer Energie angehen zu können. 

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